Renate Ziegler von der Kunstwerkstatt Bad Kreuznach:

SAY IT LOUD!
Wir alle sind Kreuznach. Kunst schaffen Vielfalt erleben
Interkulturelles KUNSTprojekt
Herbstferien 2015
27. bis 29.Oktober

Das folgende Picasso Zitat hatte unser Team angeregt, Kunst als Plattform zu nutzen, um das künstlerisch zu sagen, was sonst vielleicht unausgesprochen bliebe.

„Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.“
Picasso: Dezember 1937,Wikipedia

Es ist unser Anliegen, mittels Kunst Kindern und Jugendlicheneine Stimme zu geben und das zum Ausdruck zu bringen, was sie zutiefst bewegt. Junge Menschen sind Teil unserer Gesellschaft und unserer Welt. Sie beobachten, sind neugierig, stellen wichtige Fragen und machen sich Sorgen, haben Ängste auf der einen und Hoffnungen und Träume auf der anderen Seite. Es ist wichtig ihnen zuzuhören und den jungen Leuten zu zeigen: es ist uns wichtig, wie es euch geht. SAY IT LOUD!

„Deutschland ist ein buntes Land.“
die jüngeren Kinder

Der Kunstworkshop in den Herbstferien 2015 war interkulturell, interreligiös, international und integrativ. Insgesamt nahmen 38 Kinder und Jugendliche an den Projekttagen teil. Wir hatten drei ehrenamtliche Helfer und Helferinnen. In unserem Team arbeiteten Theresa Egbert, Jaroslava Ottenbreit, Hannelore Hilgert, Renate Ziegler und Beate Dehnen.

Wir begrüßten uns in den Sprachen, die wir sprechen und versuchten uns in Sprachen, die wir noch nie gesprochen hatten. Wir hörten einander zu und beantworteten einander Fragen.

Wir waren erstaunt, wie lange es dauert, wenn jemand zu Fuß von Afghanistan oder Syrien bis nach Bad Kreuznach läuft. Nicht die ganze Strecke, aber doch sehr, sehr viele Kilometer. Das ist etwas anderes, als in Urlaub zu fahren. Noch dazu, wenn man das bisschen Gepäck, das man mitgenommen hat ins Meer werfen muss, damit das Schlauchboot, in dem viel zu viele Leute sitzen, wenigstens die Menschen ans andere Ufer bringt.

Woher unsere Familien oder Familienangehörige so kommen? Aus Deutschland und Russland, England und Syrien, dem Kosovo und Afghanistan, Polen und der Ukraine, Lettland und Frankreich, Spanien und Montenegro. Wir waren füreinander Gast und Gastgeber. Wir haben uns miteinander wohlgefühlt, ineinander hinein gefühlt und alle unendlich viel mitnehmen können.

Wir haben an zwei Tagen mit der Gruppe der Jugendlichen Kunst gemacht.

DIMENSION - KUNST IN DIE GESELLSCHAFT TRAGEN

Nimm ein Schiffchen mit – Boot mit Bo(o)tschaft!

  • Was mir Angst oder mich traurig macht.
  • Was mir Mut und Hoffnung macht.

Diese Aktion am Baugerüst auf der Brücke entstand am ersten Tag unserer interkulturellen Kunstprojektwoche, die in diesem Jahr während der Herbstferien stattfand. Passanten wurden aufgefordert, eines der Papierschiffchen, die von Kindern und Jugendlichen mit Bild und Text gestaltet wurden, mitzunehmen. In ihren Bo(o)tschaft teilen die jungen Menschen das, was sie zutiefst bewegt, mit denjenigen, die sich darauf einlassen, neugierig sind und offen für andere. Es sind dies zutiefst bewegende Mitteilungen, die im normalen Alltag allzu leicht übersehen oder überhört werden. Und so sagten wir dies auf künstlerische Art:

Pech UND Glück / Einsamkeit UND Freunde / Krieg und Unfrieden UND friedliches und entspanntes Leben / beleidigen UND immer glücklich bleiben / mein Bruder fehlt mir UND meine beste Freundin nicht verlieren / Strei tUND Lachen / Wut UND
Freude / ich habe mein Land wegen Krieg verlassen UND ich wünsche mir, dass Krieg überall aufhört.

Dies sind einige der Bo(o)tschaften auf den Seiten der Schiffchen festgehalten.

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Aus den Booten mit Bo(o)tschaften wurde ein kurzer Trickfilm animiert. Alle arbeiteten an den Booten und einem daraus entwickelten Trickfilm.

DIMENSION – KUNST ALS AUSDRUCK VON INDIVIDUALITÄT

Ein Film von João Paulo Simões und Gemälde von Pablo Picasso dienten als Anregung.Der portugiesische Film, den alle nur sehen, aber nicht verstehen konnten, diente mit seiner starken mimisch und gestischen Aussagekraft als Anregung für das eigene Arbeiten. Unsere Gedanken hierzu nahmen wir auf, um sie bei der Abschlussausstellung und als Sound für unseren Film zu nutzen. Die Ausdruckskraft  eines Gesichts beim Sprechen wurde in Zusammenarbeit mit der Bildhauerin Hannelore Hilgert in lebensgroßen Kopf-Tonplastiken umgesetzt.

 

Am zweiten Workshop Tag haben wir uns von einem `älteren´ und einem `zeitgenössischen´ Künstler in unserer Arbeit anregen lassen.

DIMENSION – KUNST, GESELLSCHAFT UND ZIVILCOURAGE

Picassos Arbeiten Krieg Guerraund Frieden La Pazwurden als Bilder betrachtet und besprochen. Unsere Überlegungen und die Aufteilung in ein Bild zum Thema Krieg und eines zum Thema Frieden haben wir übernommen, um daraus große eigene
Gemälde zu entwickeln, die in Gruppenarbeit umgesetzt wurden. Dabei war es der Gruppe wichtig, ein verbindendes Element zwischen den beiden Bildern zu schaffen, was sie in Form eines Schlauchbootes realisierten. Die entwickelten Bildelemente sind zum einen selbst Erlebtes und zum anderen in den Medien Gesehenes.

 

Banksys Streetart

war die andere, zeitgenössische Anregung, sich mit dem Thema des Workshops auseinanderzusetzen. Die Jugendlichen spielten mit dem Titel `SAY IT LOUD!´, mit Symbolen, die ihnen wichtig sind, der Aufforderung: open your eyes! und lernten eine Schablone herzustellen, um ihre Gesichte in die Arbeit mit Spraytechnik zu integrieren.

Mit den jüngeren Kindern

haben wir uns dem Thema altersentsprechend anders genähert. Das Bilderbuch `Footpath Flowers´ von Jon Arno Rawason und Sydney Smith ist hier unser Ausgangspunkt gewesen. Folgende Fragen haben uns dabei beschäftigt:

Was macht unser Leben schwarz/weiß traurig, einsam...
Was uns Blumen/Farbe ins Leben bringt...

Die im Bilderbuch angesprochenen Themen sind: Erwachsene, die telefonieren, also anwesenden abwesend sind / Tod eines Vogels / Obdachlose / triste, eintönig und einfarbige Stadt / Menschen ohne Zeit / Begrüßung und Gespräch / Hunde / Natur und Pflanzen als positiv und bunt dargestellt / Häuser mit Gärten / Familie und Geschwister. Das Kind mit der roten Jacke sammelt Blumen, wo niemand Blumen sieht und verteilt, verschenkt sie unterwegs.

 


 Dies haben die Kinder für sich relevant umgesetzt und das mit Kohle gezeichnet und zu einer großen Collage zusammengestellt, was ihr Leben dunkel macht. In Anlehnung an das Bilderbuch haben die Kinder dann bunte Blumen gemalt und ins Dunkel hineingeklebt.

Die Gedanken der Kinder haben wir in einer Audio Collage festgehalten.
Spinnen, vom Schwebebalken fallen, Hunde, Krieg, Gewitter, Streit, Schneesturm, Tod, traurig sein, Sturm Sonne, Weihnachten, Geburtstag

Frieden, friedlich … ist für uns alle wichtig. Darum haben wir Friedenstauben aus Ton geformt. Auf Tonfliesen haben wir eine unserer Hände gelegt, die Finger so gespreizt, dass sie wie die Silhouette eines Vogels aussieht und daraus eine Taube gestaltet.

Nach der Mittagspause und einem Spaziergang mit Spielplatzbesuch, wird die Thematik malerisch in großen Gruppenarbeiten umgesetzt. Die vorbereiteten Bilder von Picasso werden nicht benötigt, die Kinder setzten die Arbeit vom Morgen aus sich selbst heraus gemeinsam um und dies erstaunlich ähnlich den Gemälden, die wir ausgesucht hatten.

Die Bildausschnitte der Kinderarbeiten und Picassos Arbeiten nebeneinander:

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Die großen Arbeiten der Kinder sehen so aus:

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Zum Abschluss der Kunstprojektwoche haben wir eine Ausstellung mit allen Arbeiten und dem entstandenen Film zusammengestellt. Diese war sehr gut besucht. Es besuchten uns Journalisten von drei lokalen Zeitungen, mit denen wir interessante Gespräche führten und die sich die Arbeiten der Kinder ansahen und  von ihnen auch erklären ließen.

Wir hoffen, dass sich das eine oder andere Exponat auch an anderen Stellen in Bad Kreuznach werden ausstellen lassen.

Ein kurzer Film wurde als Konferenzbeitrag auf der Platforma Konferenz 2015 in Leicester UK `art and migration´ vorgestellt.

Im freien Programm bei der Quaker Konferenz in Brüssel Anfang Dezember 2015 `Europa castle or community´ wird sich hoffentlich auch die Gelegenheit ergeben, den kurzen Film zu zeigen.

Die Aktion mit den Faltbooten auf der Brücke wird von der Kunstwerkstatt Bad Kreuznach weiterentwickelt und zur Zeit wird versucht, diese auch auf die QARN webpage aufzuführen.

summing up

Was die jungen Menschen uns zu diesen außergewöhnlichen Tagen noch so sagen wollten über ihre Erfahrungen, das was sie gut fanden, was sie bewegt:

Teamarbeit. das große Bild, das wir alle zusammen gemalt haben und dann mit unseren Gesichtern besprüht haben. sprayen fand ich toll. große Gemälde. filmen. alles neu gelernt. kein Krieg nur Friedenspädagogik. Graffiti. malen malen mit Farben. kein Krieg. malen mit Graffiti. kind peace. your love. einfach alles malen zeichnen Graffiti töpfern filmen besonders die Silhouetten machen. Tonköpfe. Malen. Kunst vom Krieg was wir selbst erlebt haben. viele nette Leute. mir hat sehr viel Spaß gemacht und habe viel Leute gelernt und habe gelernt wie ein sehr gutes Künstler sein. mit Minoo reden das malen und sprayen und sonst viel Spaß gehabt. persisch verstehen. ich war glücklich Danke an alle Frauen. Freundlichkeit. mit Ton den Kopf modellieren. mit Ton den Kopf modellieren malen. therapeutisches Aufarbeiten. neue Menschen neue Sprachen neue Kulturen. ich habe gelernt wie man Tonköpfe machen kann.

Text und Fotos von Renate Ziegler, Kunstwerkstatt Bad Kreuznach