An den Brückenhäusern an der Stele zur Erinnerung an Bad Kreuznacher Opfer des Holocaust, gab es eine kurze Zwischenkundgebung.
Kamram Ahmad, Imam der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde Bad Kreuznach, betonte in seiner Rede die friedliche, tolerante Botschaft seines Glaubens: „Liebe für alle Hass, für keinen“. So stand es auch auf einem großen Banner der Ahmadiyya-Gemeinde, „Wir sind alle Deutschland“ auf einem anderen.

Durch die Mühlenstraße ging es weiter zum Abschlussfest auf dem Schulhof der IGS Sophie Sondhelm. Dort stand bereits das Absinto Orchestra aus Mainz auf der Bühne und begrüßte die Demonstrierenden musikalisch.

Beim Kreuznacher Radio Gässjer FM gibt es Audio-Mitschnitte der Reden zum Nachhören:
mixcloud.com/gaessjerfm

Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer bedankte sich in ihrer Rede bei den Schüler*innen für das Engagement für Toleranz und Vielfalt. Sie griff das jährliche Gedenken an die Reichspogromnacht und den durch einen Mob von Neo-Nazis 1990 zu Tode geprügelten Angolaner Amadeu Antonio auf, um zu zeigen, dass es nicht zum ersten Mal in Deutschland in Teilen der Gesellschaft eine ausländerfeindliche Stimmung gibt, die zum Tod von Menschen führen kann. Deshalb sei es immer und auch gerade jetzt wichtig, für die Demokratie einzustehen:

„Wir dulden in diesem Land keinen Fremdenhass! Das ist unser Land, und wenn wir [Demokraten] sagen unser Land, dann meinen wir all die jenigen, die in diesem Land zusammen leben. Leute mit deutschem Pass oder mit einem anderen Pass. Wir alle sind Deutschland. Wir alle haben unser Stück Verantwortung, für das, was aus diesem Land wird.“

Die Schüler*innen Elea Schneberger und Fabienne Feuser hielten eine nachdenkliche, und mit persönlichen Erfahrungen versehene Rede.
Beispiele aus der früheren Geschichte, stellten sie Ereignisse des jüngeren Zeitgeschehen gegenüber. Damit verdeutlichten sie sehr eindrücklich beispielsweise die aufgrund fehlender Seenotrettung im Mittelmeer ertrinkende Flüchtlinge oder die auch im Jahr 2018 weiter anhaltende Diskriminierung von Minderheiten wie Schwulen, Lesben, Transidentitäre:

„Wir wollen zeigen, dass nicht nur Angst und Intoleranz besteht, sondern der Wunsch nach einer Welt, in der niemand Angst haben muss, sich so zu zeigen, wie er ist, zu lieben, wen er möchte, zu glauben, was er möchte und sich nicht verstecken muss.“



Vor historischer Kulisse der Brückenhäuser auf der Mühlenteichbrücke: „Wir sind bunt“Vor historischer Kulisse der Brückenhäuser auf der Mühlenteichbrücke: „Wir sind bunt!“

 

Die komplette Rede von Elea Schneberger und Fabienne Feuser:

24. November 1990: Eine Schlägerbande, bestehend aus 50 Jugendlichen, ziehen mit Baseballschlägern bewaffnet durch Brandenburg. Sie töten hierbei gezielt mehrere dunkelhäutige Menschen.

22. Juli 2016: Zum 5. Jahrestag eines rechtsterroristischen Anschlags in Norwegen läuft ein Rechtsextremer in Deutschland Amok. 9 Tote.

9. April 1912: Das Passagierschiff „Titanic“ sinkt im Nordatlantik. 1500 Tote. Die ganze Welt ist im Schock; ein bis heute berühmter Film wird veröffentlicht, um das Gedenken der Opfer zu wahren.

2018: Allein dieses Jahr ertrinken 1500 Menschen im Mittelmeer.Die „Zeit“ veröffentlicht einen Artikel mit dem Titel: „Flüchtlingsrettung - oder soll man es lassen?“

Man sollte meinen, dass wir in einer Zeit leben, in der ein Menschenleben, egal welches, einen Wert hat. Mehr Wert als alles andere. Und so sollte man auch meinen, dass es egal ist, wo auf dem politischen Spektrum man nun steht, um das zu begreifen. Wir reden hier von Familien, von Kindern, von jungen Menschen wie uns, die ihr Leben vor sich haben und erfüllt mit Hoffnung auf ein besseres Leben in ein Boot steigen, um zu ertrinken, während Schiffe tatenlos an ihnen vorbeifahren. Und die Menschen, die gerettet werden können, nach all dem, was sie auf ihrer Reise erlitten haben, und nach all den traumatischen Erlebnissen, die sie hinter sich haben, müssen sehen, wie „besorgte Bürger“ gegen sie auf die Straße gehen, werden gejagt auf Großdemonstrationen in Chemnitz und werden aufs härteste kriminalisiert. Und nicht nur Flüchtlinge bekommen diesen Hass zu spüren. Jeder, der nicht in das Bild dieser Menschen passt, wird exkludiert, angefeindet.


Über 80 Jahre nach den schrecklichen Geschehnissen des 2. Weltkrieges nennt Alexander Gauland Hitler und die NS Zeit einen „Vogelschiss der deutschen Geschichte“. Ich muss mich fragen, was wir aus alledem, was passiert ist, gelernt haben, suche nach einem Anzeichen, dass die Menschen etwas von alledem in den Köpfen der Menschen hängen geblieben ist. Doch wenn wir in einer Zeit leben, in der sich die jüdische Gemeinde nicht traut, sich öffentlich zu zeigen, weil sie sonst mit Anfeindungen zu rechnen hat, dann mache ich mir Sorgen.
Wenn wir in einer Zeit leben, in der muslimische Mädchen für das Tragen eines Kopftuches, der Auslebung ihres Glaubens, öffentlich angegangen werden, dann wird mir klar, dass wir als Gesellschaft noch einen langen Weg vor uns haben.


Anfang 1960: Die New Yorker Polizei führt regelmäßig gewaltsame Razzien in der Christopher Street durch. Dabei werden unzählige Menschen beleidigt und niedergeschlagen.

22. August 2018: Ein 25-jähriger, transidentitärer Mann wird in Berlin mit Pflastersteinen beworfen, weil er ein Kleid trägt.

14. April 2018: Der 22-jährige Israeli Yosi Damari verabredet sich mit einem Mann. Dieser stellt sich aber als Faschist heraus und tötet Damari aufgrund seiner sexuellen Orientierung.

Wie man an diesen sehr aktuellen Beispielen sieht, richtet sich Gewalt und Diskriminierung in der heutigen Zeit nicht nur gegen Menschen mit unterschiedlicher Ethnizität. Diesen Fakt sollten wir keineswegs vergessen. Sie richtet sich gegen alle Minderheiten, darunter auch die Queer-Community, also Schwule, Lesben, Transidentitäre, und andere sexuelle Orientierungen.

Wenn man diese Regenbogenflagge sieht, die übrigens nicht nur ein Symbol für die Gaypride ist, sondern für Vielfalt, Toleranz und Respekt im Allgemeinen steht, denkt man oftmals direkt an schrille und bunte Feste, auf denen sich alle Menschen frei entfalten können. Man denkt an Stolz und Individualität. Doch man denkt nicht daran, dass diese jährlichen Veranstaltungen nur ein Tag von 365 sind.

Durchschnittlich alle 6 Minuten wird jemand Opfer homophober Anfeindungen. Dabei reichen diese von einfachen Beleidigungen bis zu Gewalttaten mit bleibenden Folgeschäden der Opfer.
An dieser Stelle möchte ich euch kurz von einer Erfahrung erzählen, weshalb mir persönlich das Thema so wichtig geworden ist: Vor ungefähr einem Jahr saß ein Freund von mir in einem Bus, in dem nur er und zwei weitere Personen saßen. Sie haben die ganze Busfahrt über lautstark über sein „schwules Aussehen“ geredet und ihn angepöbelt und als er aussteigen musste, sind sie ebenfalls ausgestiegen. Sie sind ihm noch ein paar Meter gefolgt und haben ihn währenddessen immer weiter beleidigt, bis sie ihn dann schlussendlich zusammengeschlagen haben.

Solche Fälle sind leider keine Seltenheit.
Es ist also nicht verwunderlich, dass gerade junge Menschen Angst haben, sich zu outen.
Schon von früh an wird uns erzählt, wie ein ideales Leben aussieht: Ein Ehepaar, also Mann und Frau mit – am besten – zwei Kindern, einem Haus und sicheren Jobs. Und wenn Jugendliche merken, dass sie nicht dieser Norm entsprechen, fällt es ihnen schwer, das zu akzeptieren. Sie denken, dass ihre Gedanken abnormal sind und dass sie eine Schande für ihre Familien sind. Und sie geben sich selbst die Schuld daran. Die meisten begeben sich dabei in psychologische Betreuung. Doch es passiert nicht selten, dass Homosexualität selbst von Psycholog*innen und Ärzt*innen als Krankheit angesehen wird. Den Patient*innen wird vermittelt, Homosexualität sei therapierbar oder dass ihnen die „Krankheit“ wie Dämonen ausgetrieben werden kann. Dass sich bei diesen Methoden selten Erfolge zeigen, ist also kein Wunder. Das Traurige daran ist nur, dass den Menschen, die sowieso schon aus Verzweiflung solche Methoden überhaupt in Betracht ziehen, beim Scheitern dieser Methoden auch noch die letzte Hoffnung auf ein Leben in der Normalität genommen wird. Folglich daraus:
Die Selbstmordrate von Schwulen und Lesben ist ca. fünfmal höher, als bei Heterosexuellen.


Aber wir dürfen nicht vergessen, dass all das, sowohl das Gute als auch das Schlechte, Teil unserer Gesellschaft, unserer Gemeinschaft ist. Aber das, was mich immer wieder motiviert und mir neuen Mut gibt ist, dass wir die Gesellschaft auch genau so verändern können! Wir leben in einer Demokratie, was nichts Geringeres heißt, als dass wir uns selbst beherrschen und dass JEDER von uns eine Stimme hat. Und von dieser Stimme müssen wir Gebrauch machen! Wir müssen aufhören, unsere Belange in die Hände anderer zu legen und selbst zu sagen, was wir uns wünschen, denn sonst sind wir gefangen in einer Welt, die nicht hört, was wir zu sagen haben.

Unsere Gesellschaft, die Welt um uns herum, kann immer nur so gut sein wie wir selbst und deswegen müssen wir bei uns selbst anfangen, immer wieder unsere Taten, unsere Motive in Frage stellen und aus unseren Fehlern lernen. Vielfalt ist so wunderschön, wenn wir sie zulassen. Wenn wir anfangen, miteinander zu reden, neben all dem, was uns teilt, Dinge finden, die uns verbinden und uns gegenseitig stärken, dann schaffen wir eine Gemeinschaft die allem standhalten kann.
Denn gemeinsam wir können etwas ausrichten! Als jüngstes Ereignis hat uns der Hambacher Forst gezeigt, dass wenn sich genug Menschen zusammentun, etwas erreicht werden kann, so aussichtslos die Lage auch scheint. Aber nicht nur das ist es, was wir auf dieser Demonstration verfolgen. Es geht uns nicht nur darum, Meinungen zu ändern und Gesetzesänderungen zu erreichen: was uns vor allem wichtig ist, ist, dass all die, die sich nicht trauen zu sprechen oder nicht gehört werden, wissen, dass sie nicht alleine sind.
Wir wollen zeigen, dass nicht nur Angst und Intoleranz besteht, sondern der Wunsch nach einer Welt, in der niemand Angst haben muss, sich so zu zeigen, wie er ist, zu lieben, wen er möchte, zu glauben, was er möchte und sich nicht verstecken muss.
Es geht auch darum, den Nazis Einhalt zu gebieten, zu zeigen, dass sie nicht die Mehrheit sind.

Gerade in den letzten Wochen versammeln sich immer mehr rechtsgesinnte Menschen zu Aufmärschen, die eigentlich nur dazu dienen, um Nazipropaganda kundzugeben. Sie denken, sie gehören zu den Mutigen, die sich trauen würden, die Gedanken aller Menschen in Deutschland laut auszusprechen. Aber wir alle hier wissen, dass das nicht stimmt.

Mutig sein bedeutet nicht, auf die Straßen zu gehen und Parolen von 1933 zu rufen. Es bedeutet nicht, Minderheiten zu diskriminieren. Es bedeutet nicht, zu sagen: „Wir werden sie jagen.“

Nein, mutig sein bedeutet, Vertrauen gegenüber neuen Begegnungen schenken. Menschen nicht nur zu tolerieren, sondern vor allem zu respektieren. Sich für etwas einzusetzen, das einem wichtig ist.

Natürlich können wir nicht ausschließen, dass man bei solchem Engagement, wie Demonstrationen, von rechten Gruppierungen angefeindet wird; auch das haben wir selbst schon erlebt. Aber keine Beleidigung, keine Pöbelei könnte jemals schlimmer sein, als die Schreie der Menschen, deren Schiff gerade im Mittelmeer versinkt.

Wir fordern eine Welt, in der es jedes Leben wert ist, gerettet zu werden!
Wir fordern eine Welt, in der Gewalt und Diskriminierung nicht den Alltag bestimmen!
Wir fordern eine Welt, in der jeder Mensch glauben kann, woran er will!
Wir fordern eine Welt, in der jeder lieben kann wen er will!
Wir fordern eine Welt, in der jeder so sein kann, wie er will!
Wir fordern eine Welt, in der wir leben wollen!
Und wir hoffen, dass wir heute einen kleinen Teil des Weges geschaffen haben, der uns in diese Welt führt.