Aufmerksame Zuhörer fanden die Beiträge zur Fachtagung zu Fragen der Migration im Landkreis Bad Kreuznach.Aufmerksame Zuhörer fanden die Beiträge zur Fachtagung zu Fragen der Migration im Landkreis Bad Kreuznach.

Eine Podiumsdiskussion mit den Kandidaten für die Bundestagswahl griff drängende Probleme der Ausländer- und Flüchtlingspolitik auf.
„Deutschland ist multi-ethnisch, wir sind in den Städten keine deutsche Gesellschaft mehr.“ Mit dieser These konfrontierte die Sozialwissenschaftlerin Professor Dr. Ursula Boos-Nünning von der Universität Duisburg-Essen die Tagungsteilnehmer und belegte ihre Erkenntnis mit umfangreichem Zahlenmaterial und wissenschaftlichen Studien.

Ursprünglich sei die Einwanderung auf Zeit gedacht gewesen, jetzt machten die Migranten einen wesentlichen Teil der deutschen Gesellschaft aus. Mit ihrer hohen Bildungsbereitschaft und dem Ehrgeiz, in der Gesellschaft aufzusteigen, könnten sie dem Fachkräftemangel in der Wirtschaft entgegen wirken. Ihre Aufnahme in die Gesellschaft werde jedoch von starken Vorurteilen der einheimisch-deutschen Bevölkerung erschwert. „Die deutsche Gesellschaft ist nicht darauf vorbereitet, dass vor allem junge Migranten in Zukunft in immer stärkeren Maß leitende Positionen einnehmen werden“, erklärte Boos-Nünning.
 
Den Stellenwert von Bildung für die Teilhabe am Leben der deutschen Gesellschaft betonte Landrat Franz Josef Diel (CDU), der – wie auch Bürgermeisterin Martina Hassel (SPD) auf die besondere Situation des Landkreises und der Stadt einging. Diel wandte sich gegen die unterschiedliche Bewertung von Zuwanderern je nach ihrem Herkunftsland und beschrieb deren persönliche Begleitung als eine wesentliche Aufgabe der Kommunen, die subsidiär gelöst werden müsse. „Wenn Menschen hier als Facharbeiter oder in der Pflege arbeiten sollen, braucht es ‚Kümmerer’, die sie auf ihrem Weg begleiten“, betonte Diel und fuhr fort: „Wir müssen die Kompetenzen der Zuwanderer nutzen, sowohl für die Menschen selbst als auch für unser Gemeinwesen.“

„Die christliche Pflicht zur Gastfreundschaft aus Liebe zum Menschen, gleich welcher Herkunft“ hob Superintendent Marcus Harke hervor, bevor zwei junge Frauen aus Russland beziehungsweise Kenia und ein Familienvater aus dem Iran ihren Weg aus ihren Heimatländern und die Erfahrungen mit deutschen Behörden schilderten. Damit leiteten sie eine lebhafte Diskussion mit den Bundestagskandidaten Fritz-Rudolf Körper (SPD), Antje Lezius (CDU), Klaus Jürgen Friedrich (FDP) und Stefan Boxler (Bündnis 90/Die Grünen) sowie den stellvertretenden Kandidaten Jürgen Locher (Die Linke) und Kim Orth (Piraten) ein. Dabei wurden Themen erörtert wie die Anerkennung von Schul- und Berufsausbildung in den Herkunftsländern, ein Lotsensystem für Zuwanderer durch den bürokratischen Dschungel, aber auch die rigide Abweisung von Flüchtlingen an den europäischen Grenzen. Einhellig sprachen sich die Bundestagskandidaten für die Aufnahme einer höheren Zahl von syrischen Flüchtlingen als bisher propagiert aus.

Die Erkenntnis, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, setze sich allmählich durch, sagte Siegfried Pick, Pfarrer für Ausländerarbeit im Kirchenkreis An Nahe und Glan in seinem Resümee der Fachtagung. Zufrieden zeigte er sich angesichts der Übereinstimmung der Vertreter aller politischer Parteien über die Notwendigkeit, dass Deutschland aus humanitären Gründen mehr Flüchtlinge aufnehmen soll. „Wir werden den Abgeordneten, die uns in Berlin vertreten, weiter unsere Anliegen vortragen“, kündigte Pick an.

Text und Fotos: Marion Unger, Evangelischer Kirchenkreis An Nahe und Glan