Er hat viel erlebt in seinem Leben. Und er hat viel zu erzählen. Und er kann gut erzählen, spannend, manchmal verschmitzt, manchmal ernst und gerührt. Helmut Becker, Jahrgang 1926 ist insofern der ideale Zeitzeuge für die heutige Schülergeneration. Ca. 120 Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte konnten sich davon Anfang Juni im voll besetzten Musiksaal des Lina-Hilger-Gymnasiums überzeugen. Von der ersten bis zur letzten Minute seines Vortrages lauschten sie gebannt seiner Erzählung.

Eingeladen zu dieser außerordentlichen Veranstaltung hatte die Schülervertretung (SV), die den Zeitzeugenvortrag als Bestandteil der Bewerbung als „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ organisiert hatte. Unterstützt wurde sie dabei von Ulrich Eymann von der Koordinierungsstelle „Zeugen der Zeit“ beim Pädagogischen Landesinstitut in Bad Kreuznach, die seit 6 Jahren Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in Schulen vermittelt. Marlene Pick von der SV führte ebenso sensibel wie couragiert durch die Veranstaltung.

Helmut Becker erzählt von einer Zeit, in der in Deutschland Menschenrechte nichts galten, in der Willkür und Unterdrückung herrschten, in der Bücher und Synagogen brannten und in der das Gift des Rassismus Staat und Gesellschaft ebenso schleichend wie tief durchdrangen. Eine Zeit, die schließlich in einem verheerenden Weltkrieg und der schlimmsten durch Menschen verschuldeten Katastrophe endete: dem Holocaust.

Helmut Becker war ein Jugendlicher im Alter der meisten seiner Zuhörer, als er arglos und ohne sich einer Schuld bewusst zu sein in die Fänge der Gestapo geriet. Als begeisterter und talentierter Sportler hatte er seinen Urlaub, den er für die Zeit einer Skisprungmeisterschaft von seinem Betrieb in Idar-Oberstein erhalten hatte, eigenmächtig verlängert, um das Angebot annehmen zu können, in einem Wehrertüchtigungslager als Skilehrer zu arbeiten. Aber man schrieb das Jahr 1942, Deutschland hatte seine Nachbarn überfallen und stand im Krieg, daher landete einer wie Helmut Becker, der in einem „kriegswichtigen Betrieb“ arbeitete, auch wenn er nur als Goldschmied tätig war, und verspätet aus einem Urlaub nach Hause kam, zunächst in diversen Gefängnissen, dann im KZ Sachsenhausen und schließlich im Jugend-KZ Moringen.

Ein Menschenleben war dort nicht viel wert. Helmut Becker erzählt von erniedrigenden Strafen, von manchmal für die Lagerinsassen tödlich endenden „Späßen“ der Bewacher, von dem quälenden Hunger, der ihm beinahe das Leben gekostet hätte und an dem viele andere starben.
Und als man ihn dann mit der strengen Auflage, niemanden von seinen Erlebnissen Kenntnis zu geben, entließ, dann nur, um ihn wenig später einzuziehen und an der Front erneut dem Tod preiszugeben. Ein Menschenleben war damals eben nicht viel wert.
Erschreckend auch, was Helmut Becker aus der Kriegsgefangenschaft erzählt: Kaum ein Soldat wollte die Wahrheit über das NS-Regime wissen. Nur 5 von 1200 deutschen Kriegsgefangenen in seinem Lager in den USA erklärten sich bereit, eine Schulung über Demokratie mitzumachen, um anschließend beim demokratischen Wiederaufbau in Deutschland mithelfen zu können. Weil Helmut Becker unter diesen Fünfen war, wurde er als „Vaterlandsverräter“ tituliert.

Erst seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, so Helmut Becker, war man in Deutschland überhaupt bereit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Umso wichtiger ist, dass die Verbrechen des NS-Regimes und ihre Opfer nicht vergessen werden und die Erinnerung daran lebendig gehalten wird. Denn auch heute noch gibt es in unserem Land Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus, die fast immer einhergehen mit einer Verklärung oder Verharmlosung der NS-Verbrechen.
Dass dagegen ein deutliches Zeichen gesetzt wurde, ist Herrn Becker und der veranstaltenden Schülervertretung zu danken.

 

Foto: Helmut Becker und Mitgliederinnen der Schülervertretung (Foto: T. Weschler)
Helmut Becker und Mitgliederinnen der Schülervertretung (Foto: T. Weschler)


Text: Ulrich Eyman
Foto: T. Weschler